Die ESMA hatte nach Bekanntwerden des groß angelegten Betrugs bei Wirecard im vergangenen Jahr eine fachliche Bewertung der Arbeit der zuständigen Aufsichtsbehörden durchgeführt. Die Untersuchung galt der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) und der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR).
„Wir haben Defizite in den Abläufen sowie Leistungsmängel und rechtliche Hindernisse für ein wirksames Funktionieren identifiziert“, sagte Evert van Walsum laut Info-Dienst Heute im Bundestag (hib). Die EU-Vorgaben für eine schlagkräftige Aufsicht von Finanzfirmen seien in Deutschland nur unzureichend umgesetzt. Insbesondere auf den Umgang mit einem handfesten Betrugsfall sei das Aufsichtssystem nicht vorbereitet gewesen.
Unter den deutschen Institutionen habe nur die Staatsanwaltschaft die Mittel gehabt, um einem Verdachtsfall nachspüren – doch die Hürden für deren Einbeziehung seien zu hoch. So sei ein Teufelskreis entstanden. Weil die BaFin im Fall Wirecard nicht kriminalistisch ermittelt habe, habe sie auch keine Belege für Straftaten zutage fördern können. Doch ohne die Verdachtsmomente zu erhärten, konnte sie die Staatsanwaltschaft nicht einschalten, führte van Evert Walsum aus.
Stattdessen habe die BaFin die DPR um eine weitere Prüfung gebeten. „Diese wiederum hatte bei weitem nicht die Ressourcen, um den Betrug zu durchschauen“, zitiert hib aus der Videoschalte. Die DPR habe nur mit Dokumenten arbeiten können, die Wirecard freiwillig einreichte. Die BaFin wiederum habe die Staatsanwaltschaft erst aktiviert, als Wirecard zugeben musste, dass 1,9 Milliarden Euro des Firmenvermögens nie existierten. Dieser Schritt erfolgte offensichtlich zu spät, so Evert van Walsum.
Besonders schwerwiegend ist laut hib der Vorwurf der ESMA, dass die zwei zuständigen Aufsichtsbehörden frühere Hinweise auf mangelnde Abläufe ignoriert haben sollen. Bereits 2017 habe eine EU-Fachbewertung der Arbeit von BaFin und DPR deutliche Hinweise auf Probleme geliefert. Diese seien jedoch nicht behoben worden. „Der Grund: Die Defizite gehen auf den rechtlichen Rahmen zurück – und der konnte nur durch Gesetzesänderung verbessert werden, nicht durch einfache Anpassungen in den Behörden“, resümiert hib.
Der Wirecard-Untersuchungssauschuss des Bundestags beschäftigte sich zuletzt verstärkt mit dem Phänomen, dass Beamte auf niedrigen Ebenen durchaus kompetent begründete Warnungen im Zusammenhang mit Wirecard aussprachen, diese jedoch auf dem Dienstweg versandeten.
Die Berichterstattung aus dem Ausschuss und dem Plenum finden Sie hier.
(ESV/fab)
BilanzskandaleAutor: Prof. Dr. Volker H. Peemöller, Dr. Harald Krehl, Dr. Stefan Hofmann, Jana LackBilanzbetrug gibt es, seit es Bilanzen gibt. Zwar haben Gesetzgeber, Standardsetter und Regulierungsbehörden vielseitig auf wirtschaftskriminelle Verwerfungen reagiert, doch zeigen Fälle wie zuletzt Wirecard: Die Liste spektakulärer Bilanzskandale wächst ungebremst.
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