Am Beispiel der im Ausland straflosen Bestechung im geschäftlichen Verkehr. Von Christian Caracas,
Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2014, 278 Seiten, 69,00 EUR,
ISBN 78- 3-8487-0992-2 (Print), ISBN 978-3-8452-5129-5 (ePDF). Zugleich
Dissertation an der Juristischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum
2013.
Christian Caracas hat sein Thema beherzt gewählt und wissenschaftlich überzeugend durchgearbeitet. Hinter den Kernthesen werden wichtige Hinweise auf die Früherkennungsfunktion von Compliance und einen auf breiter Basis gewollten Umgang mit Compliance-Risiken erkennbar. Die Lektüre sei beratenden wie praktizierenden Compliance-Vordenkern empfohlen. Bezeichnenderweise sind die Rechtsfolgen einer Tat nach § 130 OWiG (unter anderem Geldstrafe bis 1 Million EUR) umkämpfter als die Frage, ob ein Täter die Ordnungswidrigkeit überhaupt begangen hat.
Caracas untersucht die Verantwortung von Mitgliedern der Leitungsgremien deutscher Konzernobergesellschaften, für Korruptionshandlungen im Sinne des § 299 StGB, die ein Entscheidungsträger einer im Ausland ansässigen, aktiv gemanagten Tochtergesellschaft begangen hat, in deren Sitzstaat eine solche Handlung des Entscheidungsträgers KEINE strafbare Korruption darstellt. Auf einen solchen Sachverhalt angesprochen, hätten viele Praktiker zuletzt wohl dahin gehend reagiert, dass § 299 III StGB zwar internationale Korruption unter Strafe stelle, andererseits
– die Organe der Obergesellschaft selbst doch keine Auslandskorruption begingen;
– die Handelnden der Tochtergesellschaft kein Vorwurf zu machen sei und
– eine Pflicht, Entscheidungsträger im Ausland von einem vor Ort rechtmäßigen Handeln abzuhalten, nicht Teil der deutschen Rechtsordnung sein könne – insbesondere nicht vom Wortlaut oder Sinn des § 130 OWiG umfasst sei.
Caracas setzt sich mit allen aufgeworfenen Fragen und Argumenten redlich auseinander und lehrt letztlich, dass die vorbezeichnete, hypothetische Antwort nicht dem gesunden Menschenverstand entspricht, nicht einmal der herrschenden Meinung zu den meisten ihrer Teilelemente.
Kurz gefasst:
– die aktive Obergesellschaft ist zusammen mit ihrer Tochter ordnungswidrigkeitenrechtlich als ein einheitliches Unternehmen zu verstehen;
– § 299 III StGB schützt keine ausländischen Rechtsgüter, sondern ein deutsches, nämlich fairen Wettbewerb;
– Tathandlungen und Tatort der Handelnden der Obergesellschaft sind inländisch, wie es für die Anwendung des OWiG nötig ist;
– auf bestehende (oder nicht bestehende) Rechtspflichten nach ausländischen Rechtsordnungen kommt es nicht an;
– § 130 OWiG beurteilt ein in Deutschland angesiedeltes Aufsichtsverschulden der Obergesellschaft und ihrer Organe, das sich in der untersuchten Konstellation einheitlich und daher „auch im Ausland“ nach § 299 III StGB richtet.
Unser Strafrecht steht hier dem „gesunden Menschenverstand“ näher als unsere langjährige Kultur. Es orientiert sich am gelebten Organisationsverbund anstelle eines gewillkürten, juristischen Konstrukts. „Inhaber“ ist, wer die Leitung ausübt – regelmäßig die Geschäftsführung der Obergesellschaft. Da § 299 III StGB gerade keine ausländischen Rechtsgüter schützt, ist es Organisationspflicht der Geschäftsinhaber, für deren Einhaltung in seinem gesamten Einwirkungsbereich zu sorgen, daher zumeist in allen Organisationseinheiten inklusive ausländischer Tochtergesellschaften. Wenn diejenigen, denen die Überwachungs- und Kontrollfunktionen gelten, am Sitzort nicht selbst den gleichen Rechtspflichten unterliegen – hier konkret keine dem § 299 StGB analog geltende Regelung existiert – bleibt davon die Inhaberpflicht unberührt, für die Einhaltung des § 299 III StGB zu sorgen.
Über § 130 OWiG haften dann natürliche Personen für die Ordnung in der ganzen Organisationseinheit, die auch die ausländische Tochter einschließt, weil diese selbst Teil des Unternehmens im strafrechtlichen Sinne ist.
Eine reflexhafte Laienbewertung wie oben, stammt also aus einer Zeit, als Binnenrecht Auslandskorruption unterstützte. Dem steht heute unter anderem § 299 III StGB entgegen, sowie das umfassende internationale Recht, das diese Regelung verlangte. Sind wenige, andere Staaten in der Umsetzung säumig, ändert dies an Compliance-Anforderungen nichts. Einen Wettbewerbsnachteil für deutsche Unternehmen an diesen selten gewordenen Standorten nimmt Caracas in Kauf. Ob es diesen Wettbewerbsnachteil dort wirklich gibt, sei dahin gestellt. Der Leser findet willkommene Hinweise auf einen zukunftsfähigen Umgang mit (scheinbaren) Komplexitäten in der Compliance. Das stark anwachsende weitere Schrifttum zu § 130 OWiG zeigt dessen steigender forensischer Relevanz. Compliance erlegt von Deutschland aus kontrollierten Unternehmen zumindest die deutschen Regeln auf: „Im Ausland geht es einfach nicht MIT Korruption.“
RA Björn Rohde-Liebenau, Ombudsmann, Mediator
Quelle: ZRFC Risk, Fraud & Compliance Heft 5/2014
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